Blaumann Einnäher - gewebt und gefertigt in Deutschland 1920x640

Blaumann-Geschichte-Interview

Blaumänner in Hohenlohe

2020 wurden 172 Millionen Jeans nach Deutschland importiert. Hauptherkunftsländer waren Bangladesch, Pakistan und die Türkei [statista-jeans-importe].

Bis in die 1990er Jahre gab es in Deutschland noch industrielle Jeansproduktion. Doch durch den wettbewerbsbedingten Kostendruck, vor allem im Lohnbereich, wanderte die Produktion nach und nach ab. Erst nach Osteuropa, später Nordafrika, dann China. Heute gilt China bereits als zu teuer, so dass die Massenproduzenten nach Bangladesch und Pakistan weitergezogen sind.

Das Aussterben der Jeansfertigung in Deutschland bedeutet in der Konsequenz den Verlust von Fertigungskapazitäten, Fertigungs-Know-How und Arbeitsplätzen.

Guido Wetzels und Christian Hampel, Gründer aus dem Fränkischen und bis heute die Köpfe hinter Blaumann-Jeans, haben es sich zur Aufgabe gemacht zu beweisen, dass Jeansproduktion in Deutschland möglich ist. So wollen Sie dazu beitragen, ein beinahe ausgestorbenes Handwerk zu erhalten. Aus Freude an der Herausforderung. Und mit dem Anspruch, klassische Jeans ordentlich und verantwortungsvoll herzustellen.

Die Blaumann-Geschichte beginnt 2013. Zunächst stehen die Gründer vor der Frage, welche deutsche Unternehmen für Zulieferung und Fertigung infrage kommen. Und woher sie den Stoff beziehen.

Da Baumwolle immer noch nicht in Deutschland wachsen will und es hierzulande auch keine Denim-Färberei gibt (und nie gab), muss das Garn bzw. der fertige Stoff importiert werden.

Wo die Stoffe für Blaumann-Jeans herkommen

Japan

Nach Ende des zweiten Weltkriegs entwickelte sich in Japan, wie auch in Deutschland, eine Nordamerika-fokussierte Jeanskultur.

Während der amerikanischen Besatzung waren aufgrund von Einfuhrbeschränkungen neue Jeans praktisch nicht verfügbar. Gebrauchte Jeans, oftmals von GI’s ins Land gebracht, waren viel einfacher zu bekommen.
Der typische Weg einer solchen gebrauchten Jeans war folgender: Die geschäftstüchtige Prostituierte lässt sich von ihren amerikanischen Freiern in Jeans bezahlen, statt in Cash. Die Hosen monetarisiert sie dann beim Händler ihres Vertrauens, der wiederum Japans jeansaffine Jugend bedient.
Obwohl ab Ende der 1950er Jahre auch fabrikneue Jeans großer Marken wie Levi’s und Lee in ausreichender Stückzahl verfügbar waren, gab es eine starke Nachfrage nach inländisch produzierten Jeans. Das war der Beginn der Jeans-Fertigung in Japan. Praktisch dabei, dass sich seit den 1930er Jahren im Kojima-Distrikt, Präfektur Okayama, viele Webereien und Indigo-Färbereien angesiedelt haben [blue-blooded].

Heute ist japanischer Jeansstoff qualitativ das non-plus-Ultra der Branche. Wer für seine Jeansproduktion die besten Stoffe verwenden will, geht nach Japan. Nur konsequent, dass Blaumann für seine Klassik-Linie Denim der japanischen Firma Kuroki verwendet.

Italien

Jeans-Stoff kommt ursprünglich aus Italien. Genau genommen aus der Gegend um Genua. Aus dem französisch ausgesprochenen Städtenamen, Gênes, entwickelte sich in Amerika die Aussprache “Jeans”.
Die französische Aussprache wohl deshalb, weil die Amerikaner die Stoffe aus Frankreich, genau genommen Nîmes, importierten. Womit auch geklärt ist, woher der Begriff “Denim” kommt: Gewebe aus Nîmes → sege de Nîmes → Denim [wiki-jeans].

Heute ist Italien das Zentrum europäischer Jeanskultur. Hier sind neue Schnitte auf den Straßen schon Monate oder teilweise Jahre früher zu sehen als zum Beispiel in Deutschland.

Das Land hat sich eine lebendige Jeans-Industrie erhalten. Dazu zählen kleine Schneider-Manufakturen, in denen auch Blaumann fertigen lässt. Und natürlich Webereien wie PureDenim und Candiani, von denen Blaumann Stoffe für seine Konzept-Linie bezieht.

Deutschland

Mittlerweile lässt Blaumann bei der Firma Maibom Denim-Stoff aus importiertem Garn fertigen. Auf zwei uralten Webstühlen wird der erste je in Deutschland hergestellte Selvedge Denim gewebt. Genau genommen nur auf einem Webstuhl, da der zweite als Ersatzteillager herhalten muss.
Wer einen alten Schützenwebstuhl aus den 1940er Jahren in Aktion sehen will, dem sei dieses Video empfohlen [maibom].

Klassik und Konzept

Die Klassik-Linie steht für den ursprünglichen Blaumann-Anspruch, eine hochwertige klassische Jeans anzubieten, die zu 100% in Deutschland gefertigt wird. Gerader Blaumann, Schmaler Blaumann und Extra Schmaler Blaumann kommen als Raw Denim mit Knopfleiste und ohne Fremdfaserbeimischungen. Also 100% Baumwolle, die keine industriellen Bearbeitung, also auch keine Industriewäsche, erlitten hat.
Für BYTEMYSTORK kommen dabei nur jene Modelle infrage, die aus Biobaumwolle gefertigt wurden.

Mit der Konzept-Linie verbeugt sich Blaumann vor dem Zeitgeist und produziert jetzt auch Modelle mit Waschungen, Stretch-Anteil und Reißverschluss. Die Jeans werden zu 100% in Norditalien gefertigt. Also sehr kurze Wege.
Bei der Wahl der Partner hat Blaumann besonderen Wert auf möglichst umweltschonende Waschverfahren gelegt. D.h., ohne Einsatz von Chlor und ohne Kaliumpermanganat.
Für die bei BYTEMYSTORK angebotenen Modelle wird Baumwolle aus biologischem Anbau verwendet.
Als Schnitte sind in der Konzept-Linie wieder Schmaler Blaumann und Extra Schmaler Blaumann verfügbar. Wobei die Namen durchaus täuschen. Der Extra Schmale Blaumann würde bei anderen Herstellern durchaus als schmal geschnittener Straight Fit durchgehen.

Interview

Ich hatte das Glück, Christian Hampel, einen der beiden Blaumänner, für ein Interview zu gewinnen. Christian, einer der beiden Köpfe von Blaumann-Jeans, vertritt im Gegensatz zu seinem Partner Guido die Firma meist im Hintergrund.
Los geht’s:

Wie bist Du zu Jeans gekommen?
Textile Familie. Mein Vater ist Textiler. Ich habe mit Ferienjobs in Ausrüstungsbetrieben begonnen und nach dem Abitur in Reutlingen Textilveredlung studiert. Mit 15 habe ich das erste Mal in einer Färberei gestanden und habe gefärbt. Das war damals Maschenware. Da habe ich in Gummistiefeln und Schürze an der Haspelkufe gestanden und Ware in die Maschine reingeschmissen und Ware aus der Maschine rausgeholt. Und bin dann, weil mein Vater auch in der Branche ist, in die Sportswear gekommen. Also Hosenstoffe.
Meine ersten Arbeitgeber waren Brax in Herford, Mustang, Joker Jeans und später Marc O’Polo.
So bin ich in das Denim-Business gekommen. Und dann habe ich mich mit einer eigenen Agentur selbstständig gemacht. Und das war auch in etwa die Zeit, wo ich mit Guido Blaumann gestartet habe.

Christian Hampel beim Interview in Langenburg
Christian Hampel

Wann hast Du das letzte Mal etwas Neues über Jeans gelernt und was war das?
Die letzten großen Innovation kommen in erster Linie von den Wäschereien, die mit nachhaltigen Methoden versuchen, ihre Produktion ordentlicher darstellen. Denim ist ein schmutziges Geschäft. Da ist in den letzten Jahren sehr sehr viel Positives passiert, was die Technologien anbelangt.
Was für mich neu war in den letzten Jahren ist Smart-Indigo©, ein Indigo-Färbeverfahren über Elektrolyse. Da wird viel weniger Wasser verjuxt und dadurch weniger Abwasser produziert.
Bei der Veredlung werden zum Teil Handarbeitsprozesse, die unheimlich viel zweite Wahl kreieren, durch Lasermasken vereinfacht. Und dass nicht mehr mit Chlor gebleicht wird, sondern mit Ozon. Damit wird der Umwelt-Impakt stärker berücksichtigt.
Außerdem gibt es bei den Webereien immer modernere Webstühle. Aber das ist für uns als Blaumann weniger wichtig. Wir sind ja auf den alten Schiffchenwebstühlen. Die sind ganz old school. Da gibt es nix Neues.
Im Grunde genommen gehen die neuen Entwicklungen alle in Richtung Nachhaltigkeit. Und nochmal zu den Webereien: Was man jetzt sieht ist, dass die immer mehr Organic Cotton einsetzen, aber auch viel recycelte Baumwolle. Dass sie auch versuchen, andere Fasern beizumischen. Hanf ist ein großes Thema. Leinen ist ein großes Thema. Wegen geringerem Wasserverbrauch und häufigeren Reproduktionszyklen pro Pflanze.

Was denkst Du, was die meisten Verbraucher über Jeans nicht wissen aber wissen sollten?
Ich sag mal so: Es ist für den Verbraucher natürlich schwierig, hinter die Kulissen zu kommen. Ich würde mir wünschen, dass der Verbraucher kritischer wäre. Ok, einer, der mit einer Hose für 9,99 Euro zufrieden ist, der hinterfragt auch nix. Solch eine Hose kann nirgendwo auf unserem Planeten unter sozialen Aspekten oder Umweltaspekten hergestellt werden. Ich würde mich freuen, wenn der Endverbraucher tiefer gräbt und sich bewusster macht, wo das Produkt überhaupt herkommt und wie es hergestellt wurde. Zugegebenermaßen ist das sehr schwierig.
Es gibt natürlich tolle Betriebe in Bangladesch und Pakistan. Die sind nicht per se schlecht. Aber da kommen halt auch viele Sachen her, die verdächtig günstig sind. Und der Markt ist preisgetrieben. Leider.
Was interessant ist, und das ist ja gerade in der Presse, ist, dass C&A in Deutschland einen Produktionsbetrieb aufmachen möchte. Da sollen pro Jahr 400.000 bis 800.000 Jeanshosen produziert werden. Das ist eine sehr sehr interessante Entwicklung. Das beobachten wir ganz intensiv.
Wie schätzt Du das ein? Positiv?
Positiv natürlich. Das bedeutet ja, dass es möglich ist, in Deutschland zu produzieren.

Was denkst Du, wie sich die Jeansmode entwickeln wird? Also was Schnitt, Materialien und Veredlung betrifft.
Was Materialien betrifft wird das so sein, dass die Hersteller immer mehr auf Nachhaltigkeit achten. Entweder durch Herstellungsmethoden in der Färberei oder durch unterschiedliche Fasern.
Beim Schnitt werden die Hosen wohl ein bisschen weiter und ein bisschen höher. Aber bei Herren eher nuancierter als bei den Frauen.
Und Trends bei Veredlungen?
Waschungen wird es weiter geben. Unsere Klassik-Hosen sind ungewaschen. Aber die meisten Verbraucher kaufen vorgewaschene Jeans.
Und die Trends verlaufen in Zyklen. Manchmal viele destroys, manchmal weniger destroys. Jetzt zur Zeit ist der Trend, dass die 80er/90er Salt&Pepper open end Strukturen wieder hervortreten, die old Levi’s Strukturen. Aber bei diesen Zyklen bin ich mehr Follower als dass ich vorne dabei bin.

Wo wollt ihr mit Blaumann-Jeans in zwei Jahren sein?
Wir investieren in Wachstum. Derzeit wachsen wir im zweistelligen Bereich. Aber im Grunde genommen ist das unsere Lebensaufgabe. Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Nähereien und unseren Mitarbeitern. Und es soll dann auch irgendwann einmal so sein, dass aus dem Hobby auch was wird, wovon Guido und ich leben können. Derzeit machen wir das sozusagen für Ruhm und Ehre.
Die große Frage ist, was mit den Nähereien in Deutschland passiert. Wir werden uns vielleicht sogar selber engagieren bei einer Näherei. Dann stellt sich die Frage, ob wir es hier am Standort Langenburg machen. Aber das ist dann eine weitere Zündstufe. Personaltechnisch und investitionstechnisch.
Im Grunde genommen gehen wir unseren Weg weiter. Es macht uns auch Spaß. Wir treffen interessante Leute, z.B. auf Messen. Das ist wie eine verschworene Gemeinschaft.
Wir kommen uns so vor wie die letzten Mohikaner. Aber vielleicht sind wir auch schon wieder Pioniere.

Christian, herzlichen Dank!

Weitere Infos zur C&A Jeansproduktion in Deutschland: [c&a-jeans-made-in-germany].

Quellen

[statista-jeans-importe]https://de.statista.com/statistik/daten/studie/281917/umfrage/jeansimporte-nach-deutschland/
[blue-blooded]“Blue Blooded, Denim Hunters and Jeans Culture”
Autoren: Thomas Stege Bojer, Josh Sims
Verlag: Gestalten
2016
[wiki-jeans] https://de.wikipedia.org/wiki/Jeans 2021
[maibom] https://www.youtube.com/watch?v=STeZz1wMlk8 2020
©https://fashionunited.de/nachrichten/business/re-shoring-c-a-stellt-nachhaltige-kleidung-in-deutschland-her/20210522410572021

Links

Blaumann-Jeans im Online-Shop

Webseite der Blaumann Jeanshosen GmbH

Marco Rahn

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