Reißfaser aus alten Jeans

Jeans-Recycling

Thema

Die Mehrfachverwertung von Jeansstoff ist eine Möglichkeit, der weltweit weiter steigenden Nachfrage nach dem wohl beliebtesten Kleidungsstück gerecht zu werden.

Als Carl von Carlowitz den Begriff der ‘Nachhaltigkeit’ prägte, meinte er damit den verantwortungsbewussten Umgang mit der Ressource Holz. In der Forstwirtschaft sollten nur so viele Bäume entnommen wie nachgepflanzt werden.
Das war im Jahr 1713. Heute denken wir ‘Nachhaltigkeit’ größer. Wir meinen damit eine Lebenseinstellung. Wir meinen faire Arbeitsbedingungen. Wir meinen den Verzicht auf umweltschädigende und gesundheitlich bedenkliche Produktionsmethoden. Wir meinen damit alle Bereiche der Wirtschaft.
Manchmal jedoch verlieren wir bei Begriffserweiterungen, so wünschenswert sie sind, den Fokus auf die ursprüngliche Bedeutung. Im Finanzumfeld bedeutet Nachhaltigkeit z.B., von Zinsen zu leben und das zinsbringende Kapitel zu schonen. Und beim Jeans-Recycling geht es darum, aus den vorhanden Ressourcen Neues zu produzieren.

Branchentrends

2021 importierte Deutschland 193 Millionen Jeans [1]. Die meisten davon wurden aus neuer, konventioneller Baumwolle hergestellt. Jeans enthalten neben Baumwolle auch Kunststoffe wie Elasthan und Polyester, außerdem Kunststoffe und Metalle für die Knöpfe und Nieten. Und auch diese bestehen meist aus neuen Rohstoffen.

Für die Verwendung neuer Rohstoffe bei der Jeans-Produktion gibt es gute Gründe. Die Verfahren sind erprobt, die Technologien gut beherrschbar, die Maschinen angeschafft und durch die Verwendung neu produzierter Rohstoffe lässt sich eine gleichbleibende Qualität erreichen. Die Nachteile liegen ebenso auf der Hand: es müssen kontinuierlich zusätzliche Ressourcen dem Kreislauf hinzugefügt werden. Wobei das eher eine Einbahnstraße statt eines Kreislaufs ist. Vor diesem Dilemma stehen auch viele nachhaltig produzierende Jeans-Hersteller.

Die meisten der nachhaltig produzierenden Hersteller verwenden Stoffe aus Bio-Baumwolle bzw. Stoffgemische aus Bio-Baumwolle mit recycelter Baumwolle. In Deutschland liegt der Anteil von Jeans aus biologisch erzeugter Baumwolle bei 3%. Dies lässt sich nur langfristig steigern, weil der weltweite Bio-Baumwollanteil gerade einmal 1% (Wert schwankt je nach Quelle) beträgt und die Umstellung konventioneller Baumwollfelder auf nachhaltige Produktion nur sehr langsam erfolgt. Der Ernteertrag ist bei einem biologisch bewirtschafteten Baumwollfeld im Vergleich zu einem gleich großen, konventionellen Feld sehr viel geringer. Deshalb erzielen Bio-Bauern für ihre Ware teilweise geringere Erträge, obwohl die Verkaufspreise von Organic Cotton höher sind als bei konventionell erzeugter Baumwolle. Eine Umstellung der gesamten konventionellen Baumwoll-Landwirtschaft auf Bio-Produktion würde ein Mehrfaches der derzeitigen Anbaufläche erfordern. Das wiederum bedeutet zusätzliche Entnahme von Fläche aus unserer Natur. Dies ist nicht im Sinne des Naturschutzes.
Aus all dem folgt ein angebotsseitiger Engpass an Bio-Baumwolle. In Kombination mit einem zunehmend bewussterem Konsumverhalten der Endverbraucher lässt dies immer mehr Jeans-Hersteller und Produzenten nach Wegen suchen, bereits vorhandene Ressourcen wiederzuverwenden. Bezogen auf Jeans gibt es die vier folgenden Branchentrends:

  • Second hand
  • Upcycling
  • Recycling
  • Nutzungsverlängerung

Second hand

„Um Platz im eigenen Kleiderschrank zu schaffen, spenden oder verschenken mehr als drei Viertel der Befragten Teile ihres Sortiments. Etwa ein Viertel verkauft aussortierte Kleidung über das Internet und mehr als jeder Zehnte bringt sie in ein Secondhand-Geschäft“ [2].

Genaugenommen handelt es sich bei der Secondhand-Verwertung nicht um Recycling, sondern um Wiederverwendung.
Kleidung aus zweiter Hand ist die nachhaltigste Kleidung, da sie nicht erst produziert werden muss und weiterverwendet wird [2]. Auf Anbieterseite entfallen die Produktionskosten. Dafür entstehen höhere logistische und vertriebliche Aufwände. Da in letzter Konsequenz für die meisten Kunden Preis vor Nachhaltigkeit kommt [2], funktioniert der textile Gebrauchtmarkt am besten mit hochpreisigen Markenprodukten, die als gute Gebrauchte günstig angeboten werden. Deshalb schätzen beide Seiten, Anbieter und Kunden, Luxusmarken. Bei Jeans dagegen sind es vor allem die Modelle einer einzigen Marke, die besonders gefragt sind: Levis.

Für die Wiederinverkehrbringung gebrauchter Textilien verwenden viele Unternehmen eigene Begriffe, z.B. Pre-owned, Second Life, Circle u.s.w.
KPMG sieht für die nächsten Jahre den Anteil von Secondhand Kleidung bei 20 Prozent des Gesamtmarktes [2].

Upcycling

Beim Upcycling werden alte Jeans als Ausgangsmaterialien für die Herstellung quasi-neuer Produkte verwendet, ohne den Jeansstoff zu schreddern.

Wer über genügend Muße und handwerkliches Können verfügt, fertigt sich aus abgetragenen Jeans in DIY-Manier Schürzen, Taschen, Kissenbezüge und dergleichen.
Einige nachhaltige Jeans-Hersteller probieren verschiedene Möglichkeiten, Upcycling in das eigene Geschäftsmodell zu integrieren. Z.B. sammelt Torland-Jeans [3] in seinen Wiener Filialen alte Kundenjeans und lässt daraus, teilweise in Inklusionswerkstätten, Jeans-Accessoires herstellen. Die Firma Hanekamp [4] stellt seinen Handelspartnern auf Wunsch Stoffreste aus der Jeans-Produktion kostenlos zur Verfügung. Damit können diese neue Patchwork-Produkte herstellen.

Auch branchenfremde Hersteller verwenden vermehrt alte Jeans für ihre Produkte. Z.B. Karola Rinke von www.rasennäher.de. Hier leben Jeans als Tascheninnenfutter weiter. Beim kommerziellen Upcycling stehen alle Beteiligte vor den gleichen Problemen: die durch das Sammeln, die Reinigung und vor allem die individuelle Fertigung anfallenden Kosten können nur begrenzt in die Preisgestaltung der Endprodukte einfließen, da diese ansonsten für die meisten Verbraucher als zu teuer wahrgenommen werden. Das erklärt, warum diese besonders materialressourcenschonende Variante des Jeans-Recyclings ein Nischendasein fristet.

Jeans-Recycling

KPMG sieht eine „Verlagerung der Rohstoffbeschaffung auf den Absatzmarkt“ [2]. D.h., dass in Zukunft vermehrt Ressourcen für die Produktion neuer Waren verwendet werden, die sich bereits im Umlauf befinden.

Der Schwerpunkt liegt im Folgenden auf dem Recycling des Baumwollstoffes.

Beim technischen Prozess des Jeans-Recyclings unterscheiden wir zwischen der Herkunft des Ausgangsmaterials (Pre-Consumer versus Post-Consumer) und dem Recycling-Verfahren (Mechanisches Recycling versus Chemisches Recycling).

Ausgangsmaterialien

Pre-Consumer Recycling

Für Pre-Consumer Recycling werden Produktionsabfälle wie Stoffschnitt- und Garn-Reste aufbereitet und zu neuen Stoffen verarbeitet.

Post-Consumer Recycling

Post-Consumer Recycling ist, wenn das Material, dass einer Recyclinganlage zugeführt wird, zuvor von Kunden verwendet wurde.

Rohstoff für das Post-Consumer Jeans-Recycling sind in erster Linie Jeans, die für einen Wiederverkauf im Secondhand-Markt nicht mehr gut genug, aber zum Wegwerfen zu schade sind. Das Recycling gebrauchter Jeans ist die logistisch aufwändigste Recycling-Methode. Bezogen auf den stationären Handelt müssen die Jeans von den Verbrauchern zu speziellen Sammelstellen, meist Einzelhandelsgeschäfte, Schulen und Vereine, gebracht werden. Dort werden die Jeans abgeholt und zu einem Textilrecyclingunternehmen transportiert. Größere Online-Versender und einige Jeans-Hersteller stellen ihren Kunden kostenlose Versandlabel zur Verfügung, damit diese alte Jeans einschicken können.

Recycling-Verfahren

Grundsätzlich unterscheidet die Branche zwischen zwei Verfahren:

  • Mechanisches Recycling
  • Chemisches Recycling

Mechanisches Textilrecycling ist ein seit Jahrzehnten etablierter Prozess, vor allem mit Pre-Consumer Ware. Dagegen waren Rezyklate aus Post-Consumer Stoffen selten. Deren Nachfrage ist erst in den letzten Jahren stark gestiegen. War über viele Jahre das Mechanische Recycling von Pre-Consumer Stoffen der Standard, spielen mittlerweile sowohl das Chemische Recycling als auch die Post-Consumer Stoffe eine immer größere Rolle.

Mechanisches Textilrecycling

Beim Mechanischen Recycling werden die Stoffe so lange verkleinert und zerrissen, bis eine offene Faser weniger Zentimeter Länge entsteht. Diese sogenannte Reißfaser ist spinnbar und dient im nächsten Verarbeitungsschritt als Rohstoff für die Herstellung neuer Garne.

Gebrauchte Jeans werden typischerweise im Stück, d.h. als komplette Hose, in großen Schredderanlagen zerkleinert. Durch das höhere Gewicht unerwünschter Materialien wie Metall, Plastik und Leder funktioniert die Trennung vom Stoff sehr gut. Dafür werden in einem „Blow-Room“ die leichten Stofffasern, die sogenannte Pulpe, nach oben gewirbelt, so dass die schweren Jeansteile am Boden liegen bleiben und aussortiert werden können. Insgesamt werden bei diesem Verfahren etwa 88% einer Jeans zu wiederverwendbaren Fasern geschreddert [5]. Die restlichen 12% Abfall setzen sich aus den Metall-, Plastik- und Leder-Teilen der Jeans und Staub zusammen.

Allerdings ist bei diesem Verfahren keine Trennung zwischen unterschiedlichen Faserbestandteilen möglich. Deshalb achten Recyclinganlagen darauf, dass die zugeführten Jeans einen hohen Mindestanteil an Baumwolle haben (z.B. 95%), um die Verunreinigung durch Elasthan und Polyester so gering wie möglich zu halten.

Reißfaser aus alten Jeans
Reißfaser aus alten Jeans

Die beschriebene Aufbereitung alter Jeans zu offenen Fasern, die neu versponnen werden können, wird schon seit Jahren kommerziell profitabel durchgeführt. Das Schreddern alter Jeans macht jedoch im Vergleich zur Aufbereitung von Schnittresten aus der Jeansproduktion nur einen kleinen Teil des Recyclings aus.
Im Endergebnis unterscheiden sich die Reißfasern in ihrer Festigkeit. Reißfaser aus Pre-Consumer Denim ist vergleichsweise reißfest und fluffig, während Post-Consumer Ware eher morsch ist.

Zahlen und Fakten am Beispiel Altex

Bei der Firma Altex [5] werden pro Jahr etwa 36.000 Tonnen Textilien verarbeitet. Der Post-Consumer Anteil ist mit 10% noch relativ gering. Die Zulieferungen erfolgen durch Textunternehmen aus Bangladesch, Pakistan, Ägypten und weiteren textilverarbeitenden Ländern und, in weit geringerem Umfang, durch Recycling-Initiativen in Deutschland. Derzeit ist für Altex immer noch die Automobilindustrie der wichtigste Absatzmarkt. Dort sind Dämmfliese aus Rezyklatfasern gefragt.
Altex verarbeitete in den letzten Jahren durchschnittlich 2.000 Tonnen Alt-Jeans pro Jahr.

Preise und Kosten

Je nach Marktlage bezahlt das Unternehmen pro Kilogramm Alt-Jeans zwischen 2 Cent und 20 Cent. Der erzielbare Verkaufspreis pro Kilogramm Reißfaser liegt bei etwa 90 Cent bei Qualitäten für die Textilproduktion und 50 bis 60 Cent für technische Anwendungen wie Dämmfliese. Der Recycling-Energieverbrauch beträgt pro Kilogramm zirka 0,45KWh, wobei 60% davon aus der eigenen Solaranlage erzeugt werden.

Von der Reißfaser zum neuen Stoff

Abnehmer für Reißfasern sind Spinnereien, wie zum Beispiel im Fall von Altex die belgische ESG (European Spinning Group).

Im Vergleich zu neu produzierter Baumwollfaser ist die Stapellänge von Reißfaser kurz. Aus diesem Grund konnten recycelte Fasern bislang nur im Open End Spinning Verfahren verarbeitet werden. Da Open End Spinning kein Stretch-Denim produzieren kann und beim Weben meist der ungefärbte Schuss-Faden aus recyceltem Material ist, finden sich Fasern aus mechanisch recycelten Jeans nur in Jeansstoffen ohne Elasthan-Beimischung.
Neue Anlagen ermöglichen die Verwendung mechanisch recycelter Faser für das Ring-Spinning. Damit können künftig auch Stretch-Jeans, die den mit Abstand größten Teil der Jeans-Produktion weltweit ausmachen, aus recycelter Baumwolle hergestellt werden.

Chemisches Textilrecycling

Chemisches Recycling ähnelt der Herstellung von Zellulose. Das Ausgangsmaterial wird zunächst, ähnlich wie beim mechanischen Recycling, zerkleinert. Danach wird der Stoff mittels wässriger Lösungsmittel zersetzt. Bei diesem Prozess können unerwünschte Fremdfasern, wie z.B. Elasthan und Polyester vom Baumwollstoff getrennt werden. Das Endergebnis Chemischen Recyclings ist eine chemisch reine Lyocell-Faser mit optimalen Eigenschaften.

Vergleich für den Spezialfall Jeans-Recycling

Bei beiden Verfahren wird der Stoff zunächst zerstört. Beim Mechanischen Recycling mittels Schneiden und Reißen und beim Chemischen Verfahren mittels Chemie nach vorheriger Zerkleinerung.

Aus den entstandenen Fasern kann neues Garn gesponnen werden. Die Faserqualität ist beim Chemischen Recycling höher als beim Mechanischen Verfahren. Und beim Mechanischen Verfahren ist die Qualität des Rezyklats aus Pre-Consumer Textilien wiederum höher als beim Recycling gebrauchter Textilien.

Mechanisches Jeans-RecyclingChemisches Jeans-Recycling
Vorteileeinfacher mechanischer Prozesshohe Reinheit des Endprodukts möglich
NachteileQualität des Endprodukts hängt stark vom Ausgangsmaterial (Pre-Consumer vs. Post-Consumer) ab; nicht geeignet für die Herstellung von Stretch-JeansVergleichsweise hoher Energieaufwand;  Chemikalieneinsatz
Mögliches AusgangsmaterialPre-Consumer und Post-Consumer StoffePre-Consumer und Post-Consumer Stoffe
ErgebnisBaumwollfasern (“Pre-Consumer Baumwolle“ bzw. “Post-Consumer Baumwolle”)Lyocell
In welchen Endprodukten enthalten?Technische Fliese (z.B. Dämmflies), Oberbekleidung (tlw. bis 100% als recycelter Faser), Jeans (derzeit bis 40%)Bekleidung aus Lyocell  (TencelTM)

Recyceltes Elasthan und recyceltes Polyester

Die meisten heute verkauften Jeans werden aus Stretch-Denim, einem Gemisch aus Baumwoll- und Kunstfaser, gefertigt. Das dafür verwendete Elasthan (bzw. Elastan, Spandex, Lycra®, ..) besteht zum größten Teil aus Polyurethan. Mittlerweile verwenden einige Hersteller recyceltes Elasthan.
Gleiches gilt für Polyester (PET), das in vielen Stretch-Jeans enthalten ist. TORLAND zum Beispiel verwendet für seine schmal geschnittenen Damen-Jeans Denim mit T400®, einem Polyester-Material, das zu 65% aus recyceltem Plastik besteht.

Abgesehen von den erwünschten und unerwünschten veränderten Trageeigenschaften von Jeans mit Elasthan und Polyester gegenüber Jeans aus 100% Baumwolle sind Jeans mit Kunstfaseranteil nur begrenzt recycelfähig.

Jeans aus recycelten Materialien

Jeans aus Pre-Consumer Baumwolle

Einige Hersteller führen Jeans aus 100% Pre-Consumer Baumwolle. Kuyichi produziert ein Raw Selvedge Modell, die „Jim Regular Slim Orange Selvedge“, das komplett aus Pre-Consumer basierten Denim besteht. Diese Jeans unterscheidet sich von anderen Modellen schon äußerlich durch eine rauere Oberfläche.

Kuyichi Jim Regular Slim Orange Selvedge Recycled Raw
Kuyichi Jim Regular Slim Orange Selvedge Recycled Raw – 100% aus Pre-Consumer Baumwolle

Andere Hersteller, auch im Umfeld der Bio-Jeans, meiden derzeit noch Stoffe aus 100% Rezyklat, da Skepsis gegenüber der Haltbarkeit besteht.

Jeans aus Post-Consumer Baumwolle

Bei Post-Consumer Baumwolle setzen die meisten Hersteller derzeit nicht mehr als 40% Rezyklatfaser ein. MUD-Jeans [6], einer der Vorreiter der kreislauforientierten Jeans-Produktion, hat Modelle aus 60% Bio-Baumwolle und 40% Post-Consumer, z.B. die „Relax Fred Heavy Stone“. Bei solchen Jeans sind teilweise kleine Einschlüsse von Fremdmaterialien im Denim zu erkennen.

MUD Relax Fred Heavy Stone
MUD Relax Fred Heavy Stone – 40% aus Post-Consumer Baumwolle
Logistik der Jeans-Kreislaufwirtschaft

Wie am Altex-Beispiel gezeigt, kann die Produktion neuer Stoffe aus alten Jeans profitabel sein. Der ökonomisch schwierige Teil ist der Weg einer alten Jeans vom Konsumenten zum Recyclingunternehmen. Einige Unternehmen, z.B. MUD-Jeans, integrieren die Retoure in ihren Vertriebsprozess: MUD-Kunden erhalten 10€ Nachlass auf den Kauf einer neuen MUD-Jeans, wenn eine alte Jeans zurückgegeben wird.

Das in Deutschland derzeit bekannteste unabhängige Jeans-Recycling-System betreibt die Kölner IGLU gUG mit jeans-recycling.org. Den Initiatoren ist es gelungen, innerhalb der letzten zwei Jahre ein Netz von Sammelstellen aufzubauen. Dazu gehören Schulen, Rathäuser und Einzelhändler [7]. BYTEMYSTORK ist auch dabei [8]. Ziel der Initiatoren um Katharina Partyka von Kiss the Inuit [9] ist, die derzeit noch Spenden-finanzierte Aktion auf wirtschaftlich eigenständige Beine zu stellen. Dazu müssen Strukturen geschaffen und Prozesse optimiert werden.

Nutzungsverlängerung

Je öfter eine Jeans getragen wird, desto mehr hat sich ihre Anschaffung gelohnt.

Für Verbraucher gibt es verschiedene Gründe, sich von ihrer Jeans zu trennen. Da sind zum einen modische Gründe oder schlicht die Lust, Neues zu kaufen und dafür Platz zu schaffen. Oder die Jeans passt nicht mehr, oder hat defekte Stellen. Letzteres muss nicht automatisch das Ende einer jahreslangen Mensch-Jeans-Freundschaft sein. Besonders bei hochwertigen Modellen bzw. der Lieblingsjeans lohnt die Reparatur. Eine Alternative zur Reparatur ist die „Veredlung“ der Jeans mit dem Ziel, das Auge weg von den Schadstellen zu lenken.

Wo verschleißt eine Jeans am meisten?

Denim wird durch Gebrauch, also Reibung, Zug und Waschen sowie Sonne und andere Umwelteinflüsse mit der Zeit immer dünner und poröser, bis die verwebten Fäden verschlissen sind und Löcher entstehen.

Eine typische Schwachstelle von Jeans ist der Bereich im Schritt. Wie schnell eine Hose im Schritt verschleißt, hängt dabei eher von Anatomie und Passform ab als von der Stärke des Stoffs.

Ein Ausreißen der hinteren Taschen ist ein typisches Merkmal von Eltern kleiner Kinder. Diese hängen sich mit Vorliebe an die Taschen, so dass der Stoff an diesen Stellen schnell ausreißt. Weitere Schwachstellen sind der Knie-Bereich, die Stelle unter dem Hosenstall und, für Kunden, die Handy und Schlüssel in ihre Taschen stecken, Futter und Jeansstoff der Taschen.

Viele Verbraucher machen die Erfahrung, dass Jeans mit einem hohen Anteil an Elasthan (>3%) und einer Polyester-Beimischung nach wenigen Monaten verschlissen sind. Ursache sind oft dünne, minderwertige Jeansstoffe.

Jeans-Reparatur

Am einfachsten lassen sich Jeans reparieren, die aus 100% Baumwolle gefertigt werden. Meist wird dazu auf der Innenseite ein Stück Jeansstoff über die Schadstelle genäht. An der Außenseite kann das Ganze dann optisch mittels farblich abgesetztem Zick-Zack-Stich oder der Sashiko-Technik aufgewertet werden. Das Anbringen von Lederstücken ist eine andere Möglichkeit.

In den meisten Fällen lohnt der Aufwand nur bei hochwertigen Jeans. Eine gute reparierte hochwertige Jeans gewinnt an Individualität und Unverwechselbarkeit. Und vernünftig ist es allemal.

Jeans-Recycling in der Kritik

Im Folgenden gebe ich Argumente wieder, auf die ich im Rahmen meiner Recherchen zu diesem Beitrag gestoßen bin.
Eine Bewertung der Vor- und Nachteile des Jeans-Recyclings wird, sowohl auf der Anbieter als auch auf der Verbraucher-Seite, immer von der individuellen Ausgangssituation abhängen: Während einige Anbieter mit besonderem Qualitätsbezug dem Recycling kritisch gegenüber stehen, ist es für andere ein willkommenes Marketinginstrument. Bei den Verbrauchern bewerten Denim-Enthusiasten Jeans aus recyceltem Stoff anders als Pragmatiker, für die eine Jeans “einfach nur eine Hose” ist. Und Mode-Begeisterte kommen zu anderen Schlüssen als Konsumenten, denen der schonende Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen besonders wichtig ist.

Materialqualität

Jeans-Hersteller, die einen besonderen Schwerpunkt auf die Haltbarkeit ihrer Produkte legen, meiden Stoffe mit Recyclinganteil. Denim aus recycelter Baumwolle verschleißt schneller als Stoffe aus neu produzierter Baumwolle. Das liegt an der kurzen Stapellänge der Reißfaser und, zumindest bei Post-Consumer-Ware, an den unvermeidlichen Verunreinigungen des Ausgangsmaterials.
Als Aussicht bleibt, dass sich durch Weiterentwicklungen der Spinn-Verfahren die Qualität der Stoffe, zumindest beim Pre-Consumer Recycling, künftig weiter verbessert.

Im Gegensatz zum Mechanischen Recycling entsteht beim Chemischen Recycling eine neuwertige Faser, die zu neuen Stoffen verwoben wird. Jedoch handelt es sich hierbei um Lycell, nicht um klassischen Denim. Nachteil der so produzierten Lyocell-Stoffe sind der beim Recycling notwendige Einsatz von Chemie und der hohe Energiebedarf.

Feigenblatt fürs Fast Fashion

Ein weiteres Argument betrifft die Modeindustrie insgesamt: Jeans-Recycling und kommerzialisiertes 2nd Hand ermöglicht der Fast Fashion Modebranche ein “Weiter so”. Letztlich finanzieren sich die durchs Recycling verursachten hohen Energie- und Logistik-Aufwände aus den Marketing-Budgets der Hersteller und Online-Händler. Die “Recycling-Story” sei dort eine willkommene Ablenkung vom eigenen ressourcenintensiven Geschäftsmodell, das weiterhin durch kurze Produktzyklen und häufige Rabattaktionen lustbetonte Kaufanreize schafft.

Quellen

[1] Statista: Jeansimporte nach Deutschland bis 2021

[2] KPMG-Studie “Front Row: Sehen, was morgen Mode ist. Studie Fashion 2030”

[3] TORLAND-Jeans

[4] Hosenfabrik Hanekamp

[5] ALTEX

[6] MUD Jeans

[7] Jeans-Recycling Sammelstellen

[8] BYTEMYSTORK ist Sammelstelle von jeans-recycling.org

[9] Kiss the Inuit

Marco Rahn

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