GOTS Label an Jeans

GOTS

Wozu ein Öko-Zertifikat?

Innatex, Juli 2021: GOTS ist das am häufigsten verwendete und meisten beworbene Öko-Siegel auf der “Internationale Fachmesse für nachhaltige Textilien”. Zumindest bei den Jeans-Anbietern.

Ist ein Anbieter nicht GOTS-zertifiziert, wirken seine Erklärungen, warum das eigene Angebot trotzdem nachhaltig ist, umständlich. Ein Öko-Siegel macht es Herstellern leicht, die Zulieferer und eigenen Fertigungsprozesse von einer neutralen Stelle bewerten zu lassen. Und es ist als Nachweis gegenüber den eigenen Kunden ausgesprochen hilfreich.
Für Endverbraucher ist das Siegel eine einfache Möglichkeit, Sicherheiten zu umweltschonender und sozial gerechter Produktion und Schadstofffreiheit des Produkts zu bekommen.

Öko-Siegel und alles ist gut?

Nein, sicher nicht. Mit der zunehmenden Akzeptanz eines Öko-Siegels im Massenmarkt steigt die Anfälligkeit für Missbrauch. Das ist eine logische Folge des in diesem Segment besonders hohen Preisdrucks und der Schlupflöcher, die ein sehr großer Markt mit sich bringt.

Bio-Baumwolle ist mindestens doppelt so teuer wie konventionell produzierte Baumwolle. Die Produktionslohnmehrkosten für existenzsichernde Löhne und sichere, hygienische Arbeitsbedingungen sind 3,5mal so hoch wie bei Billigproduzenten, die zudem in großen Massen produziert können. Letztendlich ist nahezu jeder Schritt der Wertschöpfungskette bei nachhaltig produzierten Waren teurer [procject-cece]. Dazu kommen Kosten für die Zertifizierungen, die abhängig von Standort, Produktpalette und weiteren Faktoren variieren (zumindest bei GOTS).

Die vielen Verarbeitungsschritte bei der Jeans-Produktion und nahezu beliebig verschiedene Interpretationen von „Nachhaltigkeit“ machen eine objektive Bewertung für alle schwierig, auch für Zertifizierer.

Trotzdem ist ein Siegel für Verbraucher die leichteste Möglichkeit, eine Vorauswahl zu treffen. Und Siegelhersteller wie GOTS passen ihre Zertifizierungsrichtlinien immer wieder an, um neuen Entwicklungen gerecht zu werden.

Das folgende Interview mit Juliane Ziegler, GOTS Repräsentantin in DACH, habe ich auf der Innatex 2021 geführt.

Interview

Was ist GOTS?

GOTS ist eine gGmbH, also eine gemeinnützige Organisation. Das Unternehmen ist Inhaberin des Global Organic Textile Standards und des Labels und verantwortlich für die Vermarktung, Implementierung und Weiterentwicklung des Standards.

Und was ist die Motivation dahinter? Warum macht man sowas?

Die Motivation war, eine umfassende Zertifizierung für Naturtextilien zu schaffen. Diese gab es 2002, bei dem ersten Zusammenschluss der Arbeitsgruppe zum Global Organic Textile Standard, noch nicht. Es gab diverse Standards für Biotextilien, aber eben keine globale Zertifizierung über die gesamte Lieferkette. Daraus ist der GOTS entstanden. Die Intension war, Bio-Textilien zum Bestandteil des täglichen Lebens zu machen mit dem Ziel, die Umwelt zu schonen und das Leben der Menschen zu verbessern.

Was waren die wichtigsten Schritte bei der Entstehung des GOTS?

2002 haben sich vier Standardorganisationen zusammengeschlossen, die schon in diesem Bereich tätig waren. Das waren der IVN aus Deutschland, Joca, die Japan Organic Cotton Association, die Soil Association aus UK und die Organic Trade Association aus den USA.
2005 wurde die erste Version des Standards veröffentlicht und 2006 kam es zur ersten Zertifizierung. Seither wurden über 10.000 Betriebe in 72 Ländern GOTS zertifiziert.
Der Standard geht alle drei Jahre in Revision, d.h., dass er alle drei Jahre überarbeitet wird. Im letzten Jahr wurde z.B. GOTS 6.0 veröffentlicht.

Was ist Ihre Rolle bei GOTS?

Ich bin Repräsentantin für Deutschland, Österreich und die Schweiz und zuständig für die initiale Beratung der Betriebe zum Standard und dann für die Weitervermittlung an die Zertifizierer. Außerdem gehören Vermarktung des Standards und die Öffentlichkeitsarbeit zu meinen Aufgaben.

Juliane Ziegler auf der Innatex 2021

Nun hat GOTS nach meiner Wahrnehmung im nachhaltigen Textilumfeld in Deutschland eine durchaus breite Wirkung. Wie ist das international? GOTS ist ja ein deutsches Unternehmen und Deutschland ist ja schon lange kein Textilland mehr, sondern bei Textilien vor allem ein Verbraucherland.

Deutsches Unternehmen würde ich so gar nicht sagen. Aus der Gründungshistorie geht ja hervor, dass es vier internationale Standardgeber waren. Diese sind über den sogenannten Advisory Council auch immer noch vertreten und damit beratend für den Standard zuständig. Als solches ist GOTS ein globaler Standard, das muss man ganz klar dazusagen. In Deutschland ist das eher im Bereich des Absatzmarktes, also auf der Einkäuferseite und Brand-Seite. Auf der anderen Seite haben wir Produktionsländer wie zum Beispiel Türkei oder Indien oder Bangladesch, die eine unglaublich große Zahl an GOTS-zertifizierten Betrieben haben. Es ist von beiden Seiten die Nachfrage sehr stark da.

In welchen Regionen ist GOTS besonders stark vertreten und wo spielt GOTS noch keine Rolle?

Regionen, in denen wir stark vertreten sind, sind bei den Absatzmärkten Deutschland, Österreich und die Schweiz und jetzt auch immer mehr Skandinavien. Bei den Produktionsländern sind Indien und Bangladesch führend. Was sich zukünftig stärker etablieren wird und wo wir mehr Fokus draufsetzen ist der afrikanische Kontinent, weil sich dort die Textilindustrie immer stärker etabliert und zu einem wichtigen Markt wird. Von Rohstofflieferanten über die einzelnen Verarbeitungsstufen der Lieferkette; auch hier ist es das Ziel, GOTS zu implementieren, um eine faire und ökologische Produktion zu unterstützen. Es gibt dort bereits GOTS-zertifizerte Betriebe und nach und nach soll die ganze Wertschöpfungskette auf dem Kontinent abgedeckt werden.

Ich habe mal vorab über eure Certified Suppliers Database nach dem Begriff „Jeans“ gesucht und ein für mich überraschende Ergebnis erhalten: von den 72 Treffern waren 56 aus Bangladesch, sechs aus Deutschland, nur einer aus China, einer aus Tunesien, aber keiner aus Indien oder der Türkei. Wie ist das zu erklären? Bildet da die Datenbank die reale Welt ab?

Kann schon sein, dass bei der Datenbanksuche etwas durchgegangen ist. Das zum Beispiel Einträge nicht über die Filterfunktionen gefunden werden oder über andere Schlagworte gelistet sind. Aber an sich ist die Datenbank schon das zentrale Tool.

Nochmal wegen der vergleichsweise großen Zahl an GOTS-zertifizierten Unternehmen aus Bangladesch. Sind das alles Betriebe, die fertig zertifiziert sind oder gibt es irgendwelche Übergangsfristen, die die nutzen?

Wer in der Datenbank gelistet ist, ist auch zertifiziert.

Also keine Übergangsfristen. Wenn ein Unternehmen aus Bangladesch GOTS-zertifiziert ist, kann ich mich genauso darauf verlassen wie bei einem Unternehmen aus Tunesien, richtig?

Ja, Sie können in der Datenbank bei den Unternehmen auf Detailansicht gehen. Da steht dann auch immer das Certificate valid until Datum, also das Auslaufdatum, dabei. Sobald ein Zertifikat nicht mehr gültig ist, ist es in der Datenbank auch nicht mehr zu finden.

Was deckt GOTS als Zertifikat nicht ab?

Das Feld. Wir zertifizieren nicht auf dem Baumwollfeld oder auch den Anbau. Die ökologische Faserproduktion fällt nicht direkt unter das GOTS-Zertifizierungssystem, da GOTS selbst keine Standards für den ökologischen Faseranbau festlegt. Stattdessen fällt der Anbau von Bio-Fasern in den Geltungsbereich von Standards für den ökologischen Landbau, wie zum Beispiel die unter der IFOAM Family of Standards.

Wo beginnt dann die Kette?

Die Kette beginnt bei der ersten Verarbeitungsstufe. Bei der Baumwolle ist das beispielsweise die Entkörnung. Da beginnt die Zertifizierung. Aber trotzdem muss der Faseranbau über einen anerkannten ökologischen Landwirtschaftsstandard geprüft sein, um in der GOTS zertifizerten Lieferkette verarbeitet werden zu können.

Aber die finale Produktqualität überprüft GOTS nicht, oder?

Produktqualität, doch auch. Ich meine, wir sind ja ein Produkt- und Betriebsstandard. Also wir setzen zum einen die Kriterien für die Betriebe, mit denen Umwelt- und Sozialkriterien für die Betriebsstätten abgeprüft werden. Und gleichzeitig setzen wir ja auch den Standard für das Produkt selber. Wir schreiben den Einsatz von biologischen Fasern vor. Zumindest 70 Prozent und bei Organic 95%. Und wir geben bestimmte Qualitätsparameter vor: wie Rückstandswerte und dem Verbot des Einsatzes toxischer Chemikalien.

Mit Qualität meinte ich Eigenschaften, die die Haltbarkeit bestimmen.

Was auf die Haltbarkeit einzahlt ist, welche Stoffe eingesetzt werden und wie die Stoffe verarbeitet werden. Das schreiben wir vor. Aber wir haben nicht explizit das Kriterium Haltbarkeit im Standard definiert.

Ok, das ist also meine Verantwortlichkeit als Händler darauf zu achten, dass nicht ein GOTS zertifizierter Hersteller aus Modergründen eine Jeans hat künstlich derart altern lassen, dass sie nur noch ein Bruchteil ihrer Lebensdauer hat. Diese Linie sollte ich dann nicht ins Programm aufnehmen.
Gibt es GOTS für recycelte Materialien? Z.B. Upcycling von alten Levis, die ursprünglich konventionell hergestellt waren.

Also wir haben ja grundsätzlich diese beiden Label-Stufen: Hergestellt mit Biofasern und Bio. Dass heißt, dass mindestens 70% ökologische Fasern eingesetzt werden in dem Produkt und zusätzlich können recycelte Fasern hinzugenommen werden; auch hierzu ist im Standard ganz genau vorgeschrieben, welche zusätzlichen Fasern erlaubt sind. Zum Thema Upcycling: Der Stoff müsste bereits nach dem Standard zertifiziert sein, da sonst der Einsatz der Fasern in der bereits gewebten textilen Fläche nicht mehr nachweisbar ist.

Das ist ja nicht machbar. Aber sinnvoll wäre es ja schon. Ich meine, die Hosen sind ja nun mal da.

Klar, sinnvoll ist das auf jeden Fall, die bereits vorhandenen Stoffe weiter zu verarbeiten und wieder zu verwenden. Aber wie bereits erläutert kann bei einem fertigen Textil eben nicht mehr nachgewiesen werden, wie und mit welchen Fasern dieses hergestellt wurde und so auch nicht, ob es GOTS entspricht. Unabhängig von Zertifizierungen ist es aber sehr sinnvoll, bereits vorhandene Textilien weiter zu verwenden.

Gibt es noch eine interessante Frage, die ich stellen sollte?

Für die Konsumentenseite: Vielleicht die Erkennbarkeit eines GOTS-Produkts? Also, wie kann ich das Produkt identifizieren? Wo finde ich GOTS-Produkte?
Was uns als Standard auszeichnet, ist die Zertifizierung entlang der gesamten Verarbeitungskette. Also vom ersten Verarbeitungsschritt bis zum Shop. Und nur dann darf die Referenz zum Standard gemacht werden. Das heißt, eine Referenz zu Zwischenstufen ist nicht erlaubt. Konsument*innen können sich darauf verlassen, dass, wenn das Label am Produkt ist, die ganze Kette GOTS zertifiziert ist.
Viele Informationen findet man auf unserer Internet-Seite: die Datenbank oder diverse Flyer, z.B. mit einem Vergleich GOTS-zertifizierte Lieferkette versus konventionelle Produktion.

Danke für das sehr interessante Gespräch!

Quellen

[project-cece]https://www.projectcece.de/blog/57/faire-kleidung-ist-leider-zu-teuer-was-steckt-dahinter/2018
[gots]https://global-standard.org/find-suppliers-shops-and-inputs2021
Marco Rahn

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